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Rudi Hofmann

Jahrgang 1937

„Mein Traum? Frieden. Es gibt kein besseres Wort.“

Mich hat immer dieser Satz von Martin Luther King begleitet: „Wir haben gelernt, wie die Vögel zu fliegen und wie die Fische zu schwimmen, aber nicht, wie Bruder und Schwester zu leben.“ Ein wahrer Satz, es sind meine Inhalte für mein Leben. Mein Traum? Frieden. Es gibt kein besseres Wort. Friede zwischen den Völkern, ein friedvolles Miteinander überhaupt, im Kleinen, im Großen. Friede auf Erden eben. Dafür bete ich jeden Sonntag, jede Nacht. Frieden ist für mich das A und O, alles andere kann man doch regeln. Und wenn ich sage, ich will Frieden haben, dann muss ich den Frieden auch pflegen und erhalten. Wenn ich ein Europäer sein will, dann muss ich auch die Partnerschaften zwischen den Ländern leben – man muss Europa leben, anders geht es nicht.

Er ist eng verwurzelt im Thurnauer Land, hier lebt er seit 81 Jahren – und ist zugleich weltoffen, weitgereist und überzeugter Europäer: Für Rudi Hofmann, Altbürgermeister des Marktes Thurnau, geht Heimatverbundenheit ganz selbstverständlich mit dem Engagement für ein Miteinander über die Grenzen hinweg einher. Sein Traum ist mit einem einzigen Wort zusammenzufassen: Frieden. Eine Sehnsucht, eine Haltung, die in seiner Kindheit grundgelegt wurde: „Dass ich ein großer Menschenfreund geworden bin, das habe ich als Kind gelernt.“

Geboren wurde Rudi Hofmann 1937 in Limmersdorf, einem Ortsteil des Markts Thurnau im Landkreis Kulmbach. Überregional bekannt ist Limmersdorf durch seine Lindenkirchweih, bei der sich das ganze Dorf um die Tanzlinde versammelt, mittlerweile sogar zum immateriellen Kulturerbe erhoben.

Dort, wo die Tanzlinde steht, in der Ortsmitte von Limmersdorf, ist der Schauplatz wesentlicher Ereignisse im Leben von Rudi Hofmann: Hier steht das Haus, in dem er als Nachzügler zur Welt kam und in dem ihn seine Mutter während der Kriegsjahre alleine aufzog. Der Vater und die beiden älteren Brüder waren im Krieg; alle drei kehrten wieder zurück, der älteste Bruder, Erich Hofmann, allerdings schwer verwundet. Ebenfalls in der Ortsmitte gelegen: das Gemeindehaus, in dem der Kindergarten untergebracht war und die Großeltern mütterlicherseits lebten. Sie waren Mesner und machten die Limmersdorfer Kirche für Rudi Hofmann von klein auf zu einem Dreh- und Angelpunkt in seinem Leben. Schon als kleiner Bub war er dabei, wenn die Großeltern die Glocken läuteten, sah zu, half mit, wenn die Kirche geschmückt wurde. Die Großmutter war prägend, eine starke Persönlichkeit – fröhlich, verschmitzt, resolut, und vor allem: christlich. Der Kirchgang gehörte zum Leben dazu, ebenso, dass man half, ohne große Worte zu machen. Wenn geschlachtet wurde und Vertriebene Schüsseln vor die Türe stellten, füllte die Mutter Wurstsuppe hinein oder ein Stück Fleisch. Man gab ab, so war das eben. Und auch als während der Kriegsjahre und in der Nachkriegszeit Flüchtlinge bei der Familie im Haus lebten, machte man gemeinsam das Beste daraus. Bis heute versucht Rudi Hofmann weiterzuleben, was er damals in seiner Familie erfahren hat; so ist er im Vorstand des Diakonievereins. Mit der Limmersdorfer Kirche verbinden Rudi Hofmann nicht nur seine christlichen Wurzeln, sie steht für ihn auch für einen historischen Moment der Dorfgeschichte und seines Lebens: Als kurz vor Kriegsende die Amerikaner vor Limmersdorf standen, stellten sie die Limmersdorfer vor die Entscheidung: Entweder sie kapitulierten oder die Amerikaner würden angreifen. „Wir müssen uns ergeben, hat die Großmutter gesagt“, erinnert sich Rudi Hofmann. „Sie hat ein weißes Betttuch geholt und zu mir gesagt: Kleiner, du musst mit mir auf den Kirchturm rauf. Wir haben oben das Betttuch rausgehängt, ich habe mich mitgeplagt mit der Oma, ich konnte ja grad so über die Brüstung schauen. Dann habe ich gesagt: Oma, die drehen die Rohre jetzt wieder um. Ach Gott, hat die Oma gesagt, Gott sei Dank.“ Zu wissen, wem man sein Leben verdankt, zu wissen, an wen man sich wendet: Rudi Hofmann sieht das, was er als Kind erlebt hat und in wessen Geist er erzogen wurde, als eine wesentliche Grundlage für sein Leben an: „Mir hat das immer Kraft gegeben: die Kirche und das Gebet.“

Was ihn außerdem prägt, ist sein sozialdemokratisches Erbe. Schon sein Großvater und sein Vater waren in der SPD gewesen. Seinen Vater hätte seine politische Einstellung in der NS-Zeit beinahe das Leben gekostet. „Schweigen ist Silber, Reden heißt Dachau“ – Rudi Hofmann hat bis heute diesen drohenden Satz im Ohr, er erzählt von nationalsozialistisch Gesinnten, die seinen Vater aufhängen wollten, bevor der Krieg begann. Als einer der Brüder Rudi Hofmanns nach dem Krieg diese Männer zur Rechenschaft ziehen wollte, war es die Großmutter, die ihn davon abhielt. Sie tat es mit einem Bibelvers: Du sollst nicht Böses mit Bösem vergelten. Der Bruder folgte ihrem Rat.

Rudi Hofmann trat der SPD bei, so, wie es Familientradition war. Dass er dann sogar Politiker wurde, kam eher zufällig: Es war 1969, auf einer Gemeindeversammlung in Limmersdorf, als der Erste Bürgermeister aus gesundheitlichen Gründen seinen Rücktritt bekanntgegeben hatte. „Mach du es doch, Rudi“, hat einer gesagt. Und er, der gelernte Maurer, hat es gemacht und wurde damit mit 31 Jahren Bayerns jüngster Bürgermeister. Es hat sich eben so ergeben, und später dann war es nicht viel anders, als er gefragt wurde, ob er nicht für das Amt des Thurnauer Bürgermeisters kandidieren wolle und 1990 dann tatsächlich gewählt wurde. Auch damit habe er nicht gerechnet, so Rudi Hofmann, aber dann habe er sein Herzblut auch in dieses Amt gesteckt: „Wenn ich etwas mache, will ich es richtig machen.“ Er engagierte sich auf vielen Ebenen, saß 36 Jahre lang im Kreistag, war in 39 Vereinen und Ausschüssen tätig, so hat er es einmal ausgerechnet. Im Jahr vor seiner Wiederwahl als Thurnauer Bürgermeister war er, den Urlaub nicht mitgezählt, ganze neun Abende zu Hause. Einmal, als er nachts heimkam, hing über seinem Bett ein Zettel, geschrieben von einem seiner drei Kinder: „Hier ruhte einst Rudi Hofmann.“

Was ihm immer ein besonderes Anliegen war und bis heute ist: Er blickt über die Grenzen der Kommune, des Landes hinaus. Rudi Hofmann ist überzeugter Europäer, die persönlichen Begegnungen zwischen den Menschen sind ihm dabei ein besonderes Anliegen: „Europa muss man leben.“ So hat er im Jahr 2000 die Partnerschaft zwischen Thurnau und Positano in Süditalien mitbegründet und setzt sich bis heute dafür ein, dass die deutsch-italienischen Beziehungen lebendig bleiben. Steinernes Zeugnis der Freundschaft ist ein im Dezember 2018 enthülltes Kunstwerk aus Positano auf dem neugestalteten Rathausplatz in Thurnau. Rudi Hofmann hat viel erreicht und bewegt in der Politik und wurde dafür unter anderem mit der Ehrenbürgerwürde und der Goldenen Bürgermedaille des Marktes Thurnau ausgezeichnet.

Heute lebt Rudi Hofmann in Berndorf. Er genießt den Ruhestand gemeinsam mit seiner Frau Helga, mit der er in zweiter Ehe verheiratet ist, er freut sich an seinen Kindern und Enkeln. Das Wandern, die Reisen – er ist dankbar für das, was er weiter unternehmen kann. Manchmal sitzt er auch einfach da, in seinem Wald, seiner „Ranch“, wie er es nennt, und schaut in die Natur: „Wenn ich da allein bin und in den Himmel schaue – was kann es Schöneres geben! Aber dann muss ich auch oft wieder denken: Hoffentlich geschieht nichts Schlimmes! Wenn ich dann die Statistiken anschaue, wo überall auf der Welt gerade wieder kriegerische Auseinandersetzungen sind, dann ist das für mich oft nicht zum Aushalten.“ Den Bibelvers „Eure Alten sollen Träume haben“ setzt er in Bezug zu dem, wofür er sich eingesetzt hat in seinem politischen Leben, geprägt durch die Kriegs- und Nachkriegsjahre, und das hat für ihn durchaus etwas mit einem Traum zu tun: Es ist die Hoffnung auf Verständigung und Frieden. Ein Leitgedanke dafür stammt für ihn von dem Baptistenpfarrer Martin Luther King: „Wir haben gelernt, wie die Vögel zu fliegen und wie die Fische zu schwimmen, aber nicht, wie Bruder und Schwester zu leben.“ Ein wahrer Satz, kommentiert Hofmann, ein Satz, der für das steht, was er gerne verwirklichen wollte, im Kleinen, im Großen: „Das Wort Frieden eben – es gibt für mich kein besseres Wort.“ Frieden – das ist seine Antwort auch auf die Frage nach seinem Traum. Frieden, ein friedvolles Miteinander, auch, wenn er selbst auch das Scheitern kennt. Trotzdem daran festhalten: „Friede auf Erden – dafür bete ich jeden Sonntag, jede Nacht.“ Es ist seine feste Überzeugung, dass jeder etwas dafür tun kann, etwas von diesem Frieden zu verwirklichen, auch in der Politik. Rudi Hofmann hat nicht vergessen, was Krieg bedeutet.

Alle Beiträge im Überblick

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