âManchmal werden Utopien auch wahrâ
Theo Knopf (Jahrgang 1932)
Mein Traum: Dass die Menschen einfach einmal lernen wĂŒrden, mehr mit dem Kopf und weniger mit den FĂ€usten zu handeln. Alle diese sinnlosen Kriege â dass da einige so viel Macht haben und damit andere ins UnglĂŒck reiĂen. Könnte das nicht endlich einmal ein Ende finden? Dass sich alle Glaubensrichtungen vereinen, dass man sich hier einig wird, das wird natĂŒrlich nie passieren. Aber dass es zumindest gelingen wĂŒrde, dass man in eine Ă€hnliche Richtung denkt, was die Werte betrifft. Aber da braucht es wohl Tausende von Jahren dafĂŒr, das ist wahrscheinlich kurzfristig auch nicht zu erfĂŒllen! Obwohl: Ich denke an die Wiedervereinigung. âWas fĂŒr eine Utopieâ, habe ich mir immer gedacht, wenn Menschen sich da Hoffnungen gemacht haben. Und dann, auf einmal, hat es geklappt. Die, die fest dran geglaubt haben, haben recht gehabt.
Gemeinsam etwas Schönes erleben, voneinander lernen
Es ist eine seiner frĂŒhesten Kindheitserinnerungen: Theo Knopf sitzt abends in der WohnkĂŒche im elterlichen Bauernhof in HeĂlach bei Weidenberg. Die GroĂmutter strickt, daneben die Mutter, die Magd, der Knecht. Eine SchĂŒssel mit Ăpfeln und NĂŒssen steht auf dem Tisch â und der Vater spielt auf der Konzertina. Dem Sohn imponiert, wie der Vater musiziert, und mit fĂŒnf Jahren spielt auch er seine ersten Töne. Die Konzertina des Vaters begleitet Theo Knopf von da an ein Leben lang. Noch heute, mit 84 Jahren, spielt er tĂ€glich, er tritt regelmĂ€Ăig auf, unterrichtet Alt und Jung. Miteinander musizieren, dabei gemeinsam etwas Schönes erleben, voneinander lernen â in seiner Auffassung von Musik spiegelt sich etwas von dem wieder, was Theo Knopf im GroĂen trĂ€umt: Dass diese Welt geprĂ€gt ist von einem friedlichen, freundlichen Miteinander.
FrĂŒhe Kindheit
Geboren wird Theo Knopf 1935. Von klein auf hilft er auf dem Hof mit, die harte Arbeit in der Landwirtschaft ist ihm von Anfang an vertraut. Dass das Schulhaus nur wenige Meter entfernt liegt, beschert dem Buben nicht nur einen kurzen Schulweg: âDer Lehrer ist oft bei uns gewesen, er wurde auch eingeladen, wenn es SchlachtschĂŒssel gegeben hat. Und dann hat er seine Geige dabei gehabt und hat zusammen mit mir gespielt â das hat mich motiviert.â Der Vater unterrichtet ihn im Konzertinaspielen, ohne Noten, der Sohn lernt von ihm die Ziffernschrift. Dass einer Konzertina spielt, ist damals alles andere als exotisch: Durch die fabrikmĂ€Ăige Werkstatt in Schönfeld bei CreuĂen von Andreas Hader, die spĂ€ter durch seinen Sohn Hans einige Zeit weitergefĂŒhrt wurde, waren diese Instrumente im Raum Pegnitz, Bayreuth und Kulmbach besonders stark verbreitet.
Erlebnisse in Kriegsjahren
Eine existentielle Bedrohung geht fĂŒr die Familie Knopf mit dem Zweiten Weltkrieg nicht einher: âAn Nahrung hat es uns nicht gefehlt, das war der Vorteil am Bauernhof.â Trotzdem sind auch Theo Knopf einschneidende Erlebnisse der Kriegsjahre in Erinnerung geblieben, dazu zĂ€hlen die Luftangriffe auf das etwa zehn Kilometer entfernte Bayreuth: âWir haben den Fliegeralarm gehört, dann haben wir gesehen, wie die Bomben auf Bayreuth gefallen sind und haben zeitversetzt die Explosion gehört.â Auf dem Hof werden FlĂŒchtlinge einquartiert, fĂŒr eine kurze Zeit sind es zwölf Personen mehr, die hier mit wohnen und essen.
Schwierigkeiten wieder bereinigen
Nach dem Schulabschluss in Weidenberg ist sein Weg vorgezeichnet: Theo Knopf wird Landwirt, wie der Vater. WĂ€hrend der Ausbildung lernt er auf einem Absolventenball seine Frau kennen, die ebenfalls aus einer Landwirtschaft stammt. Die beiden heiraten, und das junge Paar ĂŒbernimmt einen kleinen Hof in Oberobsang, am Stadtrand von Bayreuth gelegen. âEine Zeitlang ging alles gutâ, blickt Theo Knopf zurĂŒck, âaber dann sind die landwirtschaftlichen FlĂ€chen weniger geworden.â Gepachtetes Land wird zum Baugebiet erklĂ€rt, und irgendwann kristallisiert sich heraus: Einer der örtlichen Bauern muss aufhören. Wenig eigenes Land, dazu Schwierigkeiten mit den KĂŒhen â Theo Knopf wird klar, dass sich sein Hof nicht mehr lange tragen wĂŒrde. Er entschlieĂt sich, umzuschulen, wechselt zur Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft. Seine Aufgabe ist es nun, andere Betriebe auf Unfallsicherheit zu ĂŒberprĂŒfen: âAuch ein schöner Beruf: Ich bin viel herumgekommen, ich habe eigentlich immer ein gutes VerhĂ€ltnis zu den Menschen gehabt.â Und wenn es einmal nicht so ist, dann versucht Theo Knopf, Schwierigkeiten wieder zu bereinigen: âFĂŒr mich ist das im Vaterunser ein ganz wichtiges Wort: Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Ich habe versucht danach zu leben.â
WertschÀtzende Begegnungen
Den Bauernhof baut Theo Knopf zum Mehrfamilienhaus um, er vermietet die Wohnungen. Es ist der Beginn einer generationenĂŒbergreifenden Hausgemeinschaft, die ihn und seine Frau bis heute freut. Ăberhaupt: WertschĂ€tzende Begegnungen gerade mit jungen Menschen erfĂŒllen ihn: âWenn junge Menschen freundlich zu mir sind, auf mich zugehen, das ist so wohltuend.â Er erzĂ€hlt vom herzlichen NeujahrsgruĂ einer jungen, ihm unbekannten Frau im Sportstudio â manchmal, so Theo Knopf, vermisse er in seiner eigenen Generation solche fröhlichen Gesten. Aufeinander eingehen, sich in der Gesellschaft herzlich und mit Respekt begegnen â das hat auch etwas von einem Traum fĂŒr ihn.
Die Freude an der Musik
Ob FamiliengrĂŒndung, Berufswechsel oder Hausumbau: Die Konzertina begleitet Theo Knopf in allen Stationen seines Lebens. Im Alter von 47 Jahren beschĂ€ftigt er sich noch einmal intensiver mit ihr: Er nimmt Unterricht, lernt nun auch nach regulĂ€rer Notenschrift zu spielen, setzt die Melodien, die ihm von klein auf aus dem Familienkreis vertraut sind, in Ziffernschrift um, komponiert. Theo Knopf spielt allein und im Ensemble im Wirtshaus auf, bei unzĂ€hligen Veranstaltungen, er organisiert zusammen mit dem Bezirk Oberfranken Konzertina-LehrgĂ€nge. Als âMusiker mit Vorbildcharakterâ wird er fĂŒr sein immenses ehrenamtliches Engagement von der Hanns-Seidel-Stiftung ausgezeichnet. Die Konzertina: Nicht nur fĂŒr Theo Knopf ein besonderes Instrument. Jede Konzertina klingt anders, jede ist ein EinzelstĂŒck. Zwölf solcher EinzelstĂŒcke besitzt Theo Knopf â und verbindet mit ihnen mindestens ebenso viele besondere Momente: Etwa, wie er auf der GrĂŒnen Woche in Berlin musiziert hat und ihm der damalige BundesprĂ€sident Richard von WeizsĂ€cker auf die Schulter geklopft und sich bedankt hat dafĂŒr. Oder wie er auf dem Roten Platz in Moskau gemeinsam mit anderen gespielt hat. Theo Knopf denkt an eiskalte Kirchen in Tschechien, an das Musizieren auf der GĂ€nskopfhĂŒtte des Fichtelgebirgsvereins, an LehrgĂ€nge in und auĂerhalb der Region, an die Freude, die er jedes Mal empfindet, wenn einer seiner SchĂŒler den Zugang zu seiner Konzertina findet. Dass ihm das alles noch eine Weile erhalten bleibt â auch das ist eine Hoffnung, ein Traum.
„Mehr mit dem Kopf und weniger mit den FĂ€usten“
Aber Theo Knopf denkt bei TrĂ€umen nicht in erster Linie an sich, er verortet sie lieber in der Gesellschaft, gerade in unruhigen Zeiten wie heute: âDass die Menschen einfach einmal lernen wĂŒrden, mehr mit dem Kopf und weniger mit den FĂ€usten zu handeln. Alle diese sinnlosen Kriege â dass da einige so viel Macht haben und damit andere ins UnglĂŒck reiĂen.â Der ewiggleiche Kampf zwischen Nationen und Religionen â könnte das nicht endlich einmal ein Ende finden? âVielleicht auch so ein Traum: Dass sich alle Glaubensrichtungen vereinen, dass man sich hier einig wird. Aber das wird natĂŒrlich nie passieren. Aber dass es zumindest gelingen wĂŒrde, dass man in eine Ă€hnliche Richtung denkt, was Werte betrifft.â Sicher keine Hoffnung, die kurzfristig erfĂŒllbar sei, dafĂŒr brauche es wohl noch Tausende von Jahren, kommentiert Theo Knopf. Und hĂ€lt dann inne: âIch denke an die Wiedervereinigung. ,Was fĂŒr eine Utopieâ, habe ich mir immer gedacht, wenn Menschen sich da Hoffnungen gemacht haben. Und dann, auf einmal, hat es geklappt. Die, die fest dran geglaubt haben, haben recht gehabt: Es wurde wahr.â Es scheint also doch ab und an zu passieren: dass TrĂ€ume wahr werden.
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